Aaron Ricadela | Content Strategist | 19. Dezember 2023
Die Konvergenz von flächendeckender Internetabdeckung, kostengünstigen drahtlosen Sensoren, 5G-Kommunikation und leistungsfähigerer Datenverarbeitung ermöglicht Herstellern, ihre Fabriken zu digitalisieren. So können sie die Produktionskosten senken, die Produktionskapazität erhöhen und die Produktqualität steigern. Diese Bewegung ist allgemein als Industrie 4.0 bekannt und bezieht sich auf die vierte industrielle Revolution – nachdem die drei früheren Industrieepochen große Fortschritte in den Bereichen Dampf, Elektrizität und elektronische Automatisierung mit sich brachten. Dabei werden Maschinen- und Informationstechnologien kombiniert, um die Beschaffung, Produktion und den weltweiten Versand von Gütern zu verbessern.
Industrie 4.0-Fabriken verfügen über mit Sensoren ausgestattete Maschinen und Werkzeuge, eine neue Generation von automatisierten Robotern sowie Augmented Reality, Virtual Reality und Video-Tools, die miteinander kommunizieren, um die Produktionsgenauigkeit und den Durchsatz zu erhöhen. In Verbindung mit Software für maschinelles Lernen (ML) und Big Data-Analysen steigern diese „intelligenten Fabriken“ die Effizienz ihrer Prozesse, indem sie Produktionsläufe überwachen und automatisch anpassen. Darüber hinaus helfen sie den Herstellern auch bei der Planung von Produktionslinien entsprechend den vorhergesagten Engpässen, Wartungsplänen, Kosten und der Einrichtung der Produktionslinie. Hersteller mit diesen intelligenten Fabriken können schneller auf Veränderungen der Nachfrage oder der Produktionsanforderungen reagieren als Hersteller mit herkömmlichen Produktionslinien. Zudem können sie potenzielle Probleme und Möglichkeiten zur Umsatzmaximierung leichter erkennen.
Die Auswirkungen gehen über die Produktion hinaus. Industrie 4.0 birgt das Potenzial, menschliche Arbeit stärker durch Automatisierung zu ersetzen. Dies erfordert von den Herstellern, viele ihrer Mitarbeiter für anspruchsvollere, technologieorientierte Tätigkeiten umzuschulen.
Bei Industrie 4.0 werden Automatisierungs- und Datenanalysetechnologien eingesetzt, um intelligente Fabriken zu schaffen, in denen Maschinen untereinander und mit Arbeitern kommunizieren, um mehr Produktionsprozesse zu automatisieren, Defekte zu reduzieren und Geräteausfälle vorherzusagen. Ein Industrie 4.0-Ansatz in der Fertigung kann den Produktionsdurchsatz erhöhen, die Kosten senken, die Produktqualität verbessern, die Markteinführung beschleunigen und dazu beitragen, dass Produktionslinien nicht ausfallen.
Das österreichische Unternehmen Alcar Ruote, ein Hersteller von Aftermarket-Stahlfelgen für europäische Autos, hat beispielsweise in seinem Schweizer Werk eine Lieferketten- und Fertigungssoftware zur Analyse von Sensordaten implementiert. Dank seiner intelligenten Fabrik kann Alcar Ruote jetzt Maschinenausfälle besser vorhersehen und die Produktqualität mit den Kundenanforderungen vergleichen. Darüber hinaus konnte die Produktionsausfallzeit bzw. die Zeit, in der Mitarbeiter inaktiv sind oder Aufgaben wiederholen, drastisch reduziert werden.
Intelligente Fabriken verwenden an der Produktionsanlage angebrachte Sensoren, die Daten erfassen und an eine ERP-Software übermitteln, die die Daten in Echtzeit analysiert. Mit Industrie 4.0-Produktionstechniken können Hersteller diese Daten nutzen, um digitale Darstellungen von Geräten und Prozessen zu erstellen. Diese „digitalen Zwillinge“ unterstützen Hersteller wie BMW und Siemens beim Testen virtueller neuer Fabriklayouts, um diese schneller als üblich zu implementieren, wie z. B. das Hinzufügen eines Roboters zu einem bestimmten Arbeitsbereich unter Berücksichtigung der Beleuchtung des Gebäudes und der menschlichen Ergonomie.
Zu den Vorzeigefabriken, die multinationale Unternehmen nutzen, um ihre Einführung von Industrie 4.0-Methoden zu demonstrieren, gehören:
Laut einer McKinsey-Studie steckten jedoch bis 2020 etwa drei Viertel der Hersteller, die Industrie 4.0-Technologien einführten, im „Fegefeuer der Pilotprojekte“ fest und waren nicht in der Lage, eine zufriedenstellende Kapitalrendite zu erzielen. Solche Programme lassen sich nach wie vor nur schwer skalieren und Teams bleiben oft bei der Analyse des gesamten Betriebs stecken, bevor sie schnelle Erfolge umsetzen können.
Wichtigste Erkenntnisse
Führende Hersteller steigern die Produktion, reduzieren Materialverluste und verbessern die Lieferzeiten mit Industrie 4.0-Methoden. Das ist gerade jetzt, in Zeiten von Materialengpässen und gestörten Lieferketten, besonders wichtig. Angesichts des zunehmenden Drucks von Regulierungsbehörden und Investoren, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, nutzen die Hersteller auch Praktiken von Industrie 4.0, um den Energieverbrauch und die Abfallmenge durch eine Feinabstimmung der Produktionslinien zu reduzieren. Darüber hinaus kann Industrie 4.0 auch die Produktivität im Fabrikalltag verbessern – eine Notwendigkeit für die verarbeitende Industrie in vielen Ländern, die mit Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben.
Erfolgreiche Industrie 4.0-Projekte hängen von der integrierten und sicheren Zusammenarbeit mehrerer Technologien ab.
Netzwerke von Maschinen mit Sensoren, die Informationen über den Zustand und Betrieb von Geräten übertragen (in Kombination mit Software, die KI und ML nutzt, um Ergebnisse vor Ort zu analysieren), führen zu Produktivitäts- und Produktqualitätssteigerungen, da Unternehmen sie nutzen, um Engpässe zu erkennen, Linien nach Bedarf neu zu konfigurieren und Defekte festzustellen.
Intelligente Fabriken integrieren die Überwachung der Produktionslinie und vorausschauende Wartung mit Technologien wie Cloud-Computing, Blockchain und 3D-Druck. Einige dieser Fabriken dienen als Vorzeigeanlagen, die anderen Herstellern zeigen, welche Vorteile sie mit einem Industrie 4.0-Ansatz erzielen können. Zu den Vorteilen intelligenter Fabriken gehört neben einer besseren Qualitätskontrolle auch die Möglichkeit, Maschinen in der Produktionshalle virtuell neu zu konfigurieren und die möglichen Auswirkungen durch digitale Prozesssimulationen zu beobachten, wie es BMW in seinem Werk in Regensburg praktiziert.
Mit Sensoren ausgestattete Maschinen, die untereinander und mit dem Internet verbunden sind, helfen bei der Überwachung und Steuerung von Fabrikprozessen wie Montage und Lackierung. Ein intelligenter Hersteller könnte beispielsweise die Maschinen einer Handvoll Werke mit internetfähigen Sensoren ausstatten. Anschließend wäre er in der Lage, mithilfe eines einzigen Softwaresystems aus der Ferne festzustellen, ob die Maschinen gewartet werden müssen, anstatt jede einzelne Maschine persönlich aufzusuchen. Zu den Vorteilen cyber-physischer Systeme zählen mehr Effizienz, Sicherheit und die Fähigkeit, Prozesse an veränderte Bedingungen anzupassen, wie das Produktrealisierungsunternehmen Noble Plastics nach der Implementierung von IoT-Technologie zur Fernsteuerung von Maschinenleistung und -konfiguration feststellte.
Dieses Konzept ist eine Erweiterung des IoT. Einige Unternehmen entwickeln analytische Software-Services für ihre Maschinen und verkaufen diese an Kunden. Siemens bietet seinen Kunden beispielsweise den Software Insights Hub an, mit dem sie einzelne Maschinen in der Fabrik anhand von Kennzahlen wie Tagesertrag, Stillstandszeiten und Wartungsstatus überwachen können. Hersteller können diese Erkenntnisse nutzen, um beispielsweise den richtigen Maschinenmix für die Ausführung eines unerwarteten, dringenden Auftrags auszuwählen. In einem weiteren Beispiel ermöglicht eine Fernüberwachungssoftware des Schweizer Energie- und Steuerungsanbieters ABB den Technikern von Solarkraftwerken die Prognose der Produktion und die Fernverwaltung der Geräte. Kunden können sowohl die Anlagen als auch die Software von ABB kaufen.
Um IoT-Daten optimal nutzen zu können, ist die Integration von Anwendungen und der Austausch dieser Daten zwischen verschiedenen Systemen (darunter Datenbanken, ERP-Anwendungen und Analysesoftware) erforderlich. Aus der Analyse dieser Daten gewonnene Erkenntnisse müssen zwischen den Abteilungen Beschaffung, Produktion, Vertrieb und Service ausgetauscht werden, um so beispielsweise die Koordination von Montage- und Lackierlinien mit dem Versand zu ermöglichen oder Vorgesetzte über den aktuellen Status der Maschinen auf dem Laufenden zu halten. Titan Wheel, ein Hersteller von Schwerlasträdern für Landwirtschafts- und Baumaschinen, nutzt IoT-Technologie mit Cloud-ERP- und Supply-Chain-Management-Software, um vom Band laufende Teile aufzuzeichnen. So erhalten die Teams einen Echtzeitüberblick über die Lagerverfügbarkeit und können Lieferengpässe vermeiden.
Industrielle Hersteller nutzen cloudbasierte Computing- und Datenspeicherservices, um die riesigen Datenmengen vernetzter Maschinen zu verarbeiten bzw. zu speichern und auf diese Daten erweiterte Analysen anzuwenden, um bessere Entscheidungen zu treffen. Die nächste Generation von Edge-Computing-Lösungen, beispielsweise Oracle Roving Edge Infrastructure, bringt Cloud-Funktionen näher an die Produktionslinien.
Mithilfe von KI und ML können durch Big Data-Analysen Erkenntnisse aus den riesigen Datenmengen gewonnen werden, die intelligente Fabriken generieren, und Hersteller nutzen diese Erkenntnisse für ihre Entscheidungen. Ein Hersteller könnte beispielsweise Wartungsmuster für Maschinen einer bestimmten Marke und eines bestimmten Modells oder eines bestimmten Jahres sowie Unmengen von Sensordaten einer bestimmten Maschine in seiner Fabrik analysieren, um zu entscheiden, wann ein Wartungsarbeiter zu dieser Maschine geschickt werden muss. Darüber hinaus kann KI dabei helfen, Produktionslinien auf der Grundlage der Auftragsplanung und -freigabe neu zu konfigurieren.
Der offene Datenaustausch zwischen IT-Systemen und Industrieanlagen ist der Grundstein von Industrie 4.0. Software in Fabriken und Cloud-Computing-Data-Centern muss in der Lage sein, Informationen aus Sensornetzwerken zu lesen, um autonome Entscheidungen zu ermöglichen und die Produktion zu verbessern.
Die Genauigkeit und der Nutzen von Robotern verbessern sich in zahlreichen Fabrikumgebungen, in denen Maschinen und Menschen Seite an Seite arbeiten oder Roboter anspruchsvolle Aufgaben übernehmen müssen. In industriellen Umgebungen können kollaborative Roboterarme während bestimmter Phasen des Montageprozesses ihre Geschwindigkeit erhöhen, um die Effizienz zu steigern, und dann langsamer werden, wenn sich Bediener nähern, um neue Teile auf einer Palette zu platzieren. Außerdem können Industrieroboter in aufeinanderfolgenden Schichten im Einsatz sein und so den Unternehmen helfen, den Mangel an Fließbandarbeitern bei steigenden Auftragsmengen zu beheben.
Maschinen in Fabrikhallen werden nur ein- oder zweimal pro Jahrzehnt ausgetauscht, während IT-Systeme viel häufiger aktualisiert werden. Diese Ungleichheit schafft potenzielle Sicherheitsprobleme, da die Maschinen dem offenen Internet ausgesetzt sind. Cloud-Computing kann jedoch die Sicherheit erhöhen, da die als Service bereitgestellte Software ständig auf dem neuesten Stand gehalten wird. Cloud-Serviceprovider sind in der Lage, Sicherheitsservices bereitzustellen, die potenzielle Schwachstellen verbundener Maschinen analysieren und Abhilfemaßnahmen empfehlen. Auch die Konfiguration privater LTE- und 5G-Netzwerke, bei denen ein Hersteller das zur Übertragung von Sensordaten verwendete Funkspektrum besitzt und kontrolliert, kann die IoT-Sicherheit eines Unternehmens stärken.
Hersteller können mithilfe der Industrie 4.0-Software von Oracle weitere Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sie ihre Betriebsabläufe verbessern können. Mithilfe von Supply Chain Management und ERP-Anwendungen können Hersteller Daten aus der Fertigung erfassen und analysieren, um ihre Smart Factory-Konfigurationen zu unterstützen. Dank der Anwendungen können Teams Produktionsprozesse visuell gestalten und Technikern mobile Dashboards zur Nachverfolgung des Arbeitsfortschritts bereitstellen. Außerdem ermöglicht Mixed-Mode-Fertigungssoftware sowohl die diskrete als auch die Massenverarbeitung in derselben Anlage. Produktionsleiter können sich auf einem PC, Tablet oder Telefon Übersichten über den Arbeitsfortschritt, Probleme und Qualitätsberichte anzeigen lassen und problemlos Stücklisten bzw. Qualitätsverläufe erstellen.
Zu den Oracle Fusion Cloud Internet of Things Intelligent Applications gehören Module, mit denen Hersteller Sensordaten verwenden können, um laufende Arbeiten zu überwachen und ungeplante Ausfallzeiten zu verhindern. Darüber hinaus können sie mit vorausschauender Wartung die Betriebszeit unterstützen und sind in der Lage, mit vernetzter Logistik Transportsysteme und Lager zu überwachen sowie die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Unternehmen können mit dem Manufacturing Execution System (MES) von Oracle ihre Produktionsaktivitäten anhand von KPIs und Messungen des Fertigungsstatus überwachen. Das System unterstützt Teams bei der Steigerung ihrer Produktivität, indem es wichtige Aktivitäten priorisiert und dabei hilft, unnötige Aktivitäten zu erkennen. Dank der automatischen Datenerfassung können die Bediener in der Produktion mehr Zeit mit der Herstellung und weniger mit dem Reporting verbringen.
Was ist der Unterschied zwischen Industrie 4.0 und IoT?
Das Internet of Things (IoT) verbindet Maschinen und Prozesse über ein IT-Netzwerk. Es ist nur eine Komponente eines Industrie 4.0-Setups, das auch leistungsstarke Software zur Analyse der aus dem Netzwerk kommenden Daten und zur Automatisierung von Entscheidungen auf Grundlage dieser Analyse umfasst.
Wie kann Industrie 4.0 meinem Unternehmen helfen?
Die Technologien, die wir besprochen haben, können bei effizienter Umsetzung die Produktqualität und Lieferzeiten verbessern, zur Senkung der Betriebskosten beitragen, zu schnelleren und besseren Entscheidungen führen, die Umweltziele von Unternehmen unterstützen und neue Fertigungsbranchen, Prozesse und Geschäftsmodelle fördern.
Worin unterscheidet sich Industrie 4.0 von Lean Production?
Lean Manufacturing, bei dem Unternehmen die Rohstoffe zu dem Zeitpunkt erhalten, zu dem sie sie benötigen, und kontinuierlich daran arbeiten, Verschwendung in ihren Prozessen zu beseitigen, hat seine Wurzeln in den Toyota-Fertigungssystemen der Nachkriegszeit. Seitdem wird es häufig eingesetzt. Industrie 4.0 baut auf diesem Prinzip auf und integriert vernetzte Maschinen und softwarebasierte Analysen, um Erkenntnisse in einem Ansatz anzuwenden, der sowohl geschäftliche als auch industrielle Ziele unterstützt.