Michael Hickins | Content Strategist | 30. Mai 2023
In der Modebranche werden die Saumlängen nicht von einem Jahr auf das andere um einen halben Zoll länger oder kürzer – es ist eher so, dass es im kommenden Jahr überhaupt keine Saumlängen geben wird. Ja, Trends sind in der Modebranche schnelllebig, daher sollten die folgenden Informationen mit Vorsicht genossen werden.
Es gibt wohl kaum etwas, das in der jüngeren Geschichte der Branche so plötzlich in Ungnade gefallen ist wie die „Fast Fashion“, die Praxis, Kleidung, Schuhe und Accessoires kostengünstig und schnell zu produzieren, um die neuesten Verbrauchertrends zu bedienen. Die Fast Fashion, die in einem Jahrzehnt des Exzesses entstand, gilt heute als Paradebeispiel für Verschwendung und wird als nicht nachhaltige Praktik angesehen.
Nachhaltigkeit ist ein bleibender Trend, denn die Zukunft unseres Planeten hängt ganz entscheidend davon ab. Ein weiterer Trend, der möglicherweise im Papierkorb der Modegeschichte landet, ist die geschlechtsneutrale Kleidung, die nicht dem traditionellen weiblichen/männlichen Stil oder sogar der traditionellen Größe entspricht. Und ein weiterer heißer Trend ist das Influencer-Marketing. Die Personen, die Einfluss nehmen, werden sich in den nächsten Jahren (oder Monaten) sicherlich ändern, die Einflussmacht der Stars und Sternchen hingegen nicht. Beurteilen Sie, ob diese sowie die anderen unten beschriebenen Modetrends Bestand haben.
Wichtigste Erkenntnisse
Die Modebranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen, auch im Hinblick auf die Bedeutung von Mode. Während der Begriff lange Zeit Unbeständigkeit und Vergänglichkeit implizierte, ist einer der größten Trends der Branche das Konzept „Slow Fashion“. Tatsächlich bietet die Verbreitung der Nachhaltigkeit als treibende Marktkraft kreativen Modehäusern Möglichkeiten, aus den Anliegen der Generation Z und der Millennials nach sorgfältig produzierten und sogar vermietbaren Waren Kapital zu schlagen. Weitere Informationen zu diesen und anderen Modetrends finden Sie weiter unten.
Die Verbraucher haben eine langsame Kehrtwende vollzogen, wenn es um „Fast Fashion“ geht. Bekleidungs- und Schuhhersteller, die dafür bekannt sind, trendige Kleidung schnell und billig zu produzieren, sind auf dem absteigenden Ast. Die Käufer sind besorgt über die schlampige Arbeit und die Umweltverschmutzung, die dieses Geschäftsmodell oft begleitet. Den Vereinten Nationen zufolge ist die Modebranche für 35 % der Mikroplastikverschmutzung in den Weltmeeren und etwa 10 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Viele der Produkte dieser Branche werden weltweit in Ausbeuterbetrieben hergestellt. Diese Faktoren erklären den Aufstieg von Bekleidungsmarken wie Encircled, das mit der Verwendung nachhaltig gewonnener Stoffe und giftfreier Farben wirbt, sowie von Technologieunternehmen wie Retraced, die Bekleidungs- und Schuhherstellern dabei helfen, den Verbrauchern die Herkunft ihrer Waren nachzuweisen.
Luxusmarken sind sich der Marketingmacht von Influencern wie der K-Pop-Sensation BTS bewusst, deren sieben Mitglieder von Louis Vuitton unter Vertrag genommen wurden, um bei der Vermarktung seiner Produkte zu helfen. Der Influencer-Plattform Collabstr zufolge gaben Verbrauchermarken im Jahr 2022 schätzungsweise 15 Milliarden US-Dollar für Influencer-Marketing aus und schlossen großzügige Verträge mit Musikern wie Blackpink, G-Dragon und Nezza sowie Lifestyle-Bloggern, Models, Schauspielern und Sportlern ab. Laut WWD erzielte der Top-Beitrag von Louis Vuitton auf seinen eigenen Kanälen während der Men’s Fashion Week 2021 in Paris mit BTS einen Media Impact Value von 436.000 US-Dollar.
Ein weiterer Aspekt von Slow Fashion (siehe oben) ist, dass Verbraucher Kleidung und Accessoires nicht nur seltener, sondern auch gezielter kaufen. Sie leihen sich häufiger denn je ein Outfit – und zwar nicht nur für Hochzeiten, sondern auch für den Urlaub, berufliche Veranstaltungen, Konzerte und andere besondere Anlässe. Und je ausgefallener das Outfit, desto besser das Statement. Dieser Trend ermöglicht den Verbrauchern nicht nur, sich kostengünstiger auszudrücken, er stellt auch eine nachhaltigere Praxis dar. Der Modeverleihmarkt ist ein hervorragendes Beispiel für den Kreislauf-Einzelhandel. Er wächst schätzungsweise um 26 % pro Jahr und dürfte laut Technavio bis 2025 einen Wert von 3 Milliarden US-Dollar erreichen.
Derselbe Impuls zur Wiederverwendung und zum nachhaltigen Konsum treibt die Expansion von Second-Hand-Händlern wie Poshmark und Vestiaire Collective voran. Der französische Luxusmarkenkonzern Kering hat im Rahmen einer Finanzierungsrunde über 215 Millionen US-Dollar im Jahr 2021 einen Anteil von 5 % und einen Sitz im Vorstand von Vestiaire erworben, ein Hinweis darauf, dass dieser Trend voraussichtlich anhalten wird.
Etwa die Hälfte der Verbraucher der Generation Z hat einer weltweiten Umfrage des Fintech-Unternehmens Klarna zufolge Modeartikel außerhalb ihrer Geschlechtsidentität gekauft. Und etwa 70 % der Befragten geben an, dass sie in Zukunft daran interessiert sind, geschlechtsneutrale Mode zu kaufen.
Modemarken passen sich an, indem sie Kleidung und Accessoires entwerfen, die geschlechtsneutral sind, also nicht speziell für Männer oder Frauen entworfen sind. Marken und Einzelhändler bieten auch mehr Größen und Stile an, die normalerweise nicht mit einem Geschlecht in Verbindung gebracht werden, wie zum Beispiel weite Kleidung und Röcke, die speziell für Männer vermarktet werden. Sie produzieren und verkaufen auch Waren in Farben und Mustern, die traditionell nicht mit einem bestimmten Geschlecht assoziiert werden, wie etwa Blumenmuster und neutrale Farben. Und sie erstellen Marketingkampagnen, die alle Geschlechter einschließen.
Die Modebranche war lange Zeit eine Bastion von Künstlern, Enfant Terribles und anderen sprunghaften Genies, doch in jüngster Zeit hat sie Platz für empirischere Methoden zur Trendprognose, zur Digitalisierung von Herstellungsprozessen, zur Präsentation von Waren und zur Entwicklung nachhaltigerer Textilien gemacht.
Der britische Modehändler N Brown Group verwendet beispielsweise Oracle Software, um Modetrends vorherzusagen. Auch Modehändler nutzen Technologien, zum Teil auf künstlicher Intelligenz basierend, um Preise zu optimieren, Lagerbestände zu verwalten und Kunden mit effektiverem Messaging und Werbeaktionen anzusprechen.
Marken nutzen Technologie nicht nur zur Verbesserung ihrer Entscheidungsfindung, sondern auch, um die Herstellung von Kleidung und Accessoires neu zu gestalten. Startups Modern Meadow und EntoGenetics entwickeln im Labor gezüchtetes Leder bzw. gentechnisch veränderte Seide. Die Technologie wird sogar Teil der Kleidung selbst. Wearable X und Hexoskin stellen Sportbekleidung mit eingebetteten Sensoren her, die Herzfrequenz, Temperatur und Körperhaltung erfassen, um Kunden zu einem gesünderen Leben zu verhelfen.
Das von veganem Eis inspirierte 3D-gedruckte Kleid der Designerin Iris van Herpen sorgte bei der Paris Fashion Week im Sommer 2022 für Furore und verkündete nachdrücklich die Ankunft der additiven Fertigung in der Branche. Der 3D-Druck ist langsamer als herkömmliche Herstellungsverfahren, ermöglicht Bekleidungsherstellern jedoch, problemlos neue Prototypen zu erstellen und mit Partnern zu teilen. Darüber hinaus wird der Abfall reduziert, da die Artikel nur auf Anfrage und individuell für jede Bestellung hergestellt werden.
Die folgenden Trends sind vielleicht nicht die heißesten der Modebranche im Jahr 2023, aber es scheint, als wären sie erst gestern im Mittelpunkt gestanden:
In gewisser Weise sind Retouren das Gegenteil von Nachhaltigkeit, da die Modebranche die Verbraucher seit Langem dazu ermutigt, mehrere Größen oder Farben eines bestimmten Artikels zu kaufen und die, die ihnen nicht gefallen bzw. nicht passen, zurückzusenden. Diese als „Bracketing“ bezeichnete Praxis geht zulasten der Gewinnmargen der Modehändler, die sich darauf einstellen, indem sie kostenlose Rücksendungen einschränken und virtuelle Anproben anbieten.
Es stellt sich heraus, dass es nicht so einfach ist, direkt an die Verbraucher zu verkaufen. Da die digitalen Kosten steigen und die Komplexität der Bedienung verschiedener Segmente deutlich wird, überdenken Marken ihre Kanalstrategien und entwickeln Partnerschaften mit Einzelhändlern neu. Viele Marken nutzen DTC als Testgelände für neue Ideen. Lynn Power, CEO und Gründerin der Haarpflegemarke Masami, bezeichnet die Strategie ihres Unternehmens als „DTC-Plus“. Dabei wird über die Website und ein Geschäft verkauft, in dem neben anderen Produkten auch Masami-Produkte angeboten werden.
Gucci, L’Oréal, Saint Laurent und Estée Lauder gehören zu den Modemarken, die mit virtuellen Welten experimentieren und Einnahmen durch den Verkauf von nicht fungiblen Token (NFTs) erzielen. Der Reiz dieser Welten liegt darin, dass die Konsumenten frei experimentieren können, indem sie sich zum Beispiel gewagter kleiden, als sie es im echten Leben tun würden. Für Modemarken ist das eine Chance, sich neuen Verbrauchergenerationen in völlig neuem Gewand vorzustellen (oder erneut zu präsentieren). Einige Marken verkaufen sogar virtuelle Outfits für Charaktere in League of Legends, einer beliebten Multiplayer-Esport-Gaming-Plattform.
Der technologische Fortschritt wird die Zukunft der Branche mitbestimmen, sei es durch den 3D-Druck von Kleidung und Accessoires, neue Features und Funktionen im E-Commerce, Technologien zur Schaffung eines persönlicheren Einkaufserlebnisses oder Technologien zur Entwicklung nachhaltigerer Materialien, Stoffe und Herstellungsverfahren.
Insbesondere der Online-Einkauf wird voraussichtlich auch weiterhin einen überproportionalen Einfluss auf die Modebranche haben, da er den Verbrauchern eine bequemere, nachhaltigere und manchmal auch kostengünstigere Möglichkeit zum Einkaufen bietet. Außerdem haben kleinere Modemarken eine bessere Chance, mit größeren Marken zu konkurrieren, da sie den Verbrauchern eine breitere Palette von Stilen anbieten können.
Hersteller und Einzelhändler von Bekleidung und Schuhen stehen vor großen Herausforderungen wie Inflation, geopolitischer Instabilität und veränderten Klimamustern, die sich direkt auf die Nachfrage nach ihren Waren auswirken. Gleichzeitig haben sie ein Auge auf aufkommende Trends, die scheinbar widersprüchlich sind (siehe die Macht der Influencer versus Slow Fashion). Einige der größten Namen der Branche verlassen sich auf Planungs- und Verwaltungsanwendungen von Oracle Retail, um Trends vorherzusagen, Preise festzulegen, Lagerbestände zu verwalten sowie Marketing- und Werbestrategien zu entwickeln.
Was ist in der Modebranche angesagt?
Einer der heißesten Trends in der Modebranche ist der Wunsch der Verbraucher nach ökologisch nachhaltigeren und sozial verantwortlicheren Geschäftspraktiken.
Was sind die fünf Hauptsektoren der Modebranche?
Die fünf wichtigsten Sektoren der Modebranche sind Schuhe, Bekleidung, Luxusartikel im Allgemeinen (gekennzeichnet durch hochwertige Waren, die zu hohen Preisen verkauft werden und bei denen es auf Seltenheit und Exklusivität ankommt), Accessoires (dazu gehören Handtaschen, Uhren, Manschettenknöpfe und Ähnliches) und Modeunterhaltung (dazu gehören Zeitschriften und Fernsehsendungen).
Wächst die Modebranche?
Laut McKinsey verzeichnete die Modebranche im Jahr 2021 und im ersten Halbjahr 2022 ein starkes Wachstum, in der zweiten Jahreshälfte verlangsamte sich das Wachstum jedoch erheblich. Die Umsätze der Modebranche stiegen von 2020 bis 2021 um 21 %, doch das Beratungsunternehmen erwartet, dass sich das Wachstum im Jahr 2023 auf einen hohen einstelligen Bereich verlangsamen wird.